Frau sein in der Generation X

Posted In: Kolumne

Frau zu sein ist heutzutage nicht leicht. Aber es kann schön sein, wenn wir uns selber nicht im Weg stehen.

Die Generation X bezeichnet die Generation, in der ich geboren wurde, zwischen 1965 und 1980. Es war die erste Generation die nach dem Ende des 2. Weltkrieges heranwuchs. Im deutschen Sprachgebrauch findet sich auch der Begriff Generation Golf.

Doch was bedeutet es für mich, wie hat mich das geprägt, in dieser Zeit aufzuwachsen?

Ich wurde als Mädchen in einem typischen Arbeiterhaushalt geboren, wie es so viele in dieser Zeit gab. Die goldenen 60 er Jahre waren vorbei, die Wirtschaft ging auf und ab. Es gab die Ölkriese 1973 und autofreien Sonntage. Folglich war meine Kindheit nicht besonders aufregend. Dafür aber waren die Erwartungshaltungen an mich sehr groß. Mein Leben bestand aus du musst, du sollst und du darfst nicht. Auch begann zu dieser Zeit die neue deutsche Frauenbewegung, bald sollte Alice Schwarzer über das Fernsehen Einzug in die deutschen Wohnzimmer halten, mit ihr das Wort Emanzipation, und erst 1977 wurde ein Gesetz geschaffen, in der die Frau ohne Erlaubnis ihres Mannes arbeiten gehen durfte.

Ich bekam Werte vermittelt, die damals als angemessen erschienen. Für die meisten davon bin ich auch dankbar, dass ich sie lernen durfte. Sei immer nett, höflich und adrett. Aber bei gib keine Widerworte, ich hatte das zu tun, was mir die Eltern sagten, ging meine Welt schon auseinander. Ich hatte Ideen und Fantasien, wie es für ein Kind normal war. Der Vater, permanent in der Arbeit und mit Erziehung sowieso kaum konfrontiert, stellte das Oberhaupt der Familie dar. Meine Eltern wollten mich zu der perfekten Frau erziehen, die unbedingt einen guten Haushalt führen kann, sauber und ordentlich war, und gut kochen und backen konnte. Diese Frau sollte außerdem intelligent sein, einen guten Beruf erlernen um selbständig zu sein und auch möglichst viel Geld zu verdienen. Man sollte doch spätestens mit 23 Jahren verheiratet sein mit einem lieben und braven Mann, und Kinder auch in Sicht sein. Das war die klassische Rollenverteilung zu jener Zeit.

Aber als gute Frau arbeitet man nicht nur Tag und Nacht, man gibt alles für die Familie, denkt nicht an sich. Eine gute Gastgeberin sein, sich entsprechend kleiden, aber sich zu schminken ging ja schon mal gar nicht, dies wurde verpönt. Ich trug die Kleidung meiner Schwester auf und hatte den Haarschnitt eines Jungen. Ich wurde von Kindheit an in eine Rolle gezwungen, die andere für richtig hielten, die mir aber nicht lag. Auch das Schulsystem unterschied noch zwischen Handarbeit für Mädchen und Werken für Jungen. Anders war es nicht möglich. Die Rolle der Frau beinhaltete, dass man stricken kann.

Nur eines wurde mir nie beigebracht, nämlich auf mich zu achten, meine Bedürfnisse zu respektieren und Wünsche auszusprechen, zu Weinen wenn ich traurig war, oder zu Lachen, wenn ich fröhlich war. Gefühle trug man nicht nach Außen.

All diese Erwartung aber behinderten mein Recht auf freie Entwicklung.

Klar habe ich dagegen rebelliert, wie dies Jugendliche nun mal tun. Ich kam mir manchmal schon verwegen vor, einfach mal aus zu büchsen und mit dem Fahrrad zu fahren, wenn ich Lust dazu hatte. Manchmal klappte es, manchmal habe ich was auf die Nase bekommen. Kein Wunder also, dass ich sehr frühzeitig das Weite suchte, wollte ich doch mein Leben genießen, wie ich es dachte. Wollte Spaß haben und nicht Fenster putzen, wollte Freunde treffen und nicht alles in den Bausparer einzahlen, wollte Dinge ausprobieren um zu sehen, ob es mir gefällt. Die Sturm- und Drangzeit habe ich dann doch relativ gut hinbekommen. Ich habe viel gearbeitet, das steckte nun mal in mir drin. Doch habe ich zu dieser Zeit gelebt, das Leben wirklich jeden Tag gespürt. Hatte viele Freunde, war dauernd unterwegs, ständig irgendwas erlebt. In dieser Zeit hatte ich am Meisten erreicht in meinem Leben, hatte begonnen mein Leben in die Bahnen zu lenken, in denen ich mich wohl fühlte. Habe mir einiges gegönnt. Wisst Ihr, dass man sich eigentlich nicht an Dinge oder Schwierigkeiten erinnert, sondern nur an Erlebnisse und den Gefühlen, die man dabei hatte?

Doch dann kam die Zeit des Ruhiger werdens, die Zeit, wo die Eltern wieder ihre Erwartungshaltung steigerten. Ewig konnte das Lotterleben ja nicht andauern. Es ging nicht mehr, dass man noch Motorrad fuhr anstatt Kinderwagen zu schieben, es ging nicht mehr, dass man lieber wegging, obwohl man eigentlich zu bügeln hätte. Irgendwann kam dann diese Zeit, in der ich wieder begann mich zu verbiegen, gesittet als angesehene Frau die Abende auf der Couch zu verbringen. Irgendwie wurde ich doch das, was alle von mir erwartet hatten, und wofür ich mein Leben lang erzogen wurde. Ich fing an, Häuser auf Hochglanz zu polieren, perfekte Hemden zu bügeln, das Essen pünktlich auf dem Tisch zu haben. Nebenbei musste es noch der perfekte Garten sein, sogar die Nachbarn sagten mir, welche Blumen ich zu pflanzen hätte und ging ganz in meiner Rolle auf, das zu sein, was meine Eltern und die Gesellschaft von mir immer erwarteten. Es doch noch irgendwie geschafft zu haben erfüllte mich zum Teil auch mit Stolz. Doch mit den Jahren war ich nur noch ein Stück Etwas, das funktionierte, aber nicht lebte, zwar nicht traurig, aber auch keine Spaß mehr empfand. Ich wusste morgens, was ich abends tun würde. Ich hatte keine Erlebnisse mehr, alles war so vorbestimmt. Ich freute mich nicht über die Sonne, wenn sie strahlend am Himmel stand, Feiertage waren mir verhasst, da sie nur Mehrarbeit bedeuteten, und die Blumen im Garten nur noch lästiges Grünzeug waren. Alles wurde nur noch schnell im Vorbeigehen erledigt, richtige Gespräche hatten keine Daseinsberechtigung. Auch hier wurden Empfindungen wieder überwertet, man hatte das Leben zu meistern, basta. Natürlich gibt es Frauen, die hier ganz aufgehen, und ich gönne es jeder, die sich hier verwirklichen kann, nur meine Welt war das nie.

Tja, da saß ich nun, unglücklich, sah meine Bestimmung im Putzen und nicht im Vorankommen, habe vieles aufgegeben, für das ich in der Jugend hart gekämpft hatte. Und alles nur um für andere das zu sein, was diese erwarteten. Das war die Rolle, die die Gesellschaft für mich übrig hatte. Sogar die Mode emanzipierte uns, wir trugen nur noch Hosen, Kleider wurden immer weniger, wir sollten möglichst nur noch ein Geschlecht sein, denn wir Frauen können ja alles, und manches sogar viel besser, auch das wird uns heute noch suggeriert. Hier waren wieder Erwartungshaltungen, die mir nicht passten. Wir können vielleicht einige Dinge besser, aber wir müssen nicht alles genauso gut wie Männer machen, sie haben ihre Bereiche, wir Frauen unsere. Gefühle waren nicht erlaubt, Versagen nicht erlaubt. Ausbrechen strengstens untersagt. Ich nahm mir keine Zeit mehr für meine Freunde, ging nicht mal mehr Kaffee trinken mit ihnen. Und wieder hatte ich nicht gelernt, auf mich zu achten.

Dabei waren es die Gefühle, die ich am Meisten vermisste. Ich vermisste einfach mal die Nase der Sonne entgegen zu recken und die Wärme auf der Haut wieder bewusst zu spüren. Ich vermisste das Adrenalin in meinen Adern, wenn ich etwas tat, was man normal nicht tat. Ich vermisste es gelobt und anerkannt zu werden, ich vermisste es begehrt zu werden und hin und wieder ein Kompliment zu bekommen. Ich vermisste es den ganzen Tag schief zu grinsen, ohne dass es einen ersichtlichen Grund dafür gab. Das Leben als Einzigartig zu sehen, Erlebnisse zu haben und nicht jeden Tag den gleichen Einheitssumpf zu leben. Sogar mein Äußeres war auch so, praktisch, einfach. Nichts besonderes. Am besten in Jeans, ja die ging immer. Ich tat alles um so lange wie möglich heile Welt zu spielen, schließlich wurde das von mir erwartet.

Klar bin ich dann ausgebrochen, ich konnte einfach nicht mehr anders. Mein Geist erinnerte sich, meine Gedanken erinnerten sich, wie es war, das Leben zu spüren, neugierig zu sein. Sind wir nicht in einer Generation aufgewachsen, in der uns erzählt wurde, dass wir alles werden können, wenn wir es nur wollen, dass wir alles tun können, was wir wollen? Warum machen wir dann so wenig daraus? Warum habe ich viel zu lange gewartet, in mich hinein zu hören, zu erkennen, dass ich feminin und weiblich bin. Das ich einfach Leben will und das an jedem Tag.

Es gibt heute viele gute Bücher, die einen in dem Bestärken, was mir damals nicht beigebracht wurde. Auf mich zu achten.  Über Gefühle zu sprechen, sie zu erlauben, an sich zu glauben und sich selbst dabei zu mögen. Sich selbst zu lieben, vor allem anderen, ist nicht egoistisch, sondern der Schlüssel zum Glücklichsein. Sich selbst anzunehmen, mit all der Cellulite, die eine Frau eben so hat, mit all den Falten, die von meinem Leben erzählen, mit ungleichen Brüsten, mit dem ein oder anderem Fettpölsterchen? Auch heutzutage kommen wieder neue Erwartungshaltungen auf uns zu. Der Schönheitswahn. Die ideale Size Zero Größe zu haben, den perfekten Körper zu haben, mit Hyaluron- und Botox-Spritzen, künstlichen Brüsten und fettabgesaugten Oberschenkel zu haben. Die Werbung in Medien ist groß. Doch macht uns das glücklich? Wie viele fast perfekte Stars und Sternchen gibt es, die unglücklich sind? Macht es uns nicht eher glücklich, einfach mal eine Stunde im Bad zu verbringen, uns zu pflegen, das Beste aus uns mit ganz normalen Mitteln rauszuholen, ganz bei uns zu sein und uns so zu akzeptieren wie wir sind und was wir sind? Warum sollen wir nur etwas wert sein und uns glücklich fühlen, wenn wir perfekte Körper haben? In diese neue Rolle lasse ich mich bestimmt nicht wieder zwängen.

Warum leben wir so, wie viele Menschen es gerne hätten, aber es lieber ganz anders tun würden? Warum besinnen wir uns nicht wieder auf die Werte, die uns Frauen ausmachen, Leben wieder Werte mit Höflichkeit, Freundlichkeit, Empathie, besinnen uns auf das, was in uns Frauen gute Gefühle erzeugt, die wir gerne weiter geben. Wann ist die Welt so kalt und abgestumpft worden? Warum tun wir nicht mal wieder etwas Verwegenes und kaufen uns schöne Spitzenunterwäsche? Warum versuchen wir als Mann dazu stehen, alles perfekt zu machen, und vergessen unsere Gefühle als Frau. Wir lackieren uns die Fingernägel gerne, wir ratschen gerne mit unseren Freundinnen stundenlang, wir lieben Glitzerzeugs und Schuhe. Wir lieben es anerkannt zu werden und Komplimente zu bekommen. Wir kaufen gerne Schminke und haben im Bad 1000 Tigelchen mit irgendwelchen Cremes drin stehen. Unsere Handtaschen sind nun mal halbe Koffer. Und das alles ist gut so. Cellulite war sogar mal in Mode im 17. Jahrhundert. Sie gehört zu uns, wie das Bindegewebe der Erdanziehung unterliegt. Ja, irgendwann trifft es jede.

Wie also nutze ich all dieses Wissen und all diese Fähigkeiten als Frau in der heutigen Zeit. Eine Frau zu sein, mit all ihren guten Eigenschaften, die die Natur ihr gegeben hat. Die weich und anschmiegsam ist, eine Frau, die liebevoll und eben auch manchmal zickig ist, manchmal in Träume versunken und nachdenklich um gleich darauf wieder wie ein Kind lauthals zu lachen? Frauen sind gutherzig, wir sorgen uns um andere, das ist uns in die Wiege gelegt, wir haben ein Ohr für andere, das macht uns aus. Ich habe diese Eigenschaften wieder bewusst gefördert. Vielleicht müssen wir aus dieser Generation erst all das erleben, um zu uns zu finden, um wieder in sich hinein zu hören können. Nicht den Zwang der Gesellschaft zu unterliegen, sondern einzig sich selbst. Ich kann mich annehmen, wie ich bin, mit meinen guten und mit meinen schlechten Eigenschaften. Das zu tun, was mir wichtig ist. Und das heißt nicht, andere zu vernachlässigen, nein, im Gegenteil. Meinen Pflichten bin ich noch nie so gerne nachgekommen wie nun, auch im Berufsleben. Seitdem ich Authentisch bin, und mich nicht mehr für irgend jemanden verstelle, läuft vieles besser, sogar der Job läuft besser, ruhiger. Ich gebe mein Bestes, versuche es immer besser zu machen, an meinen Schwächen zu arbeiten, aber wenn es mal nicht so klappt, geht die Welt auch nicht unter. So ist es auch privat. Es läuft vieles einfacher, besser, wenn man einfach so ist, wie man ist, ohne sich zu verbiegen, seine Neugier bewahrt. und seinen eigenen Erwartungen gerecht wird. Eine Frau, mit allen Gefühlen und Werten die sie in sich trägt. Das Leben bietet so viel, es gibt noch so viel zu entdecken, auszuprobieren. Sich selbst zu entdecken ist ein schönes Erlebnis. Und irre spannend noch dazu. Ich freue mich auf die kommenden Jahre, was das Leben noch so alles für mich parat hat.

Und ich denke dabei nicht an die Haftcreme-Werbung für die Dritten.

Und hier wieder ein Bild von Soulapp – nutze deine innere Kraft.

Soulapp Nutze deine innereKraft

Alles Liebe, herzlichst Eure Silvia

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